From Ernst Jünger’s The Adventurous Heart: Figures and Capriccios (a translation of his Das Abenteuerliche Herz, Zweite Fassung). There may well be some transcription irregularities in the German – I had to use text recognition since I’m too lazy to change keyboard layouts to type it out.
On Crystallography
Überlingen
I seem to have learned a thing or two over the last years in regard to a literary device that illuminates the word and renders it transparent. Above all I find it useful for resolving a dichotomy that often takes a powerful hold on us – the dichotomy that exists between the surface of life and its depths. It often appears to us that the purpose of the depths is to generate the surface, that rainbow-colored skin of the world whose sight so intensely moves us. In other moments, this colorful pattern appears to be composed only of signs and letters by which the depths speak to us of their secrets, Consequently, whether we live within or without, we are gripped by the anguish of one who is always turning away from wonderful riches in whichever direction he goes. Anxiety seizes us during the austere enjoyment of solitude, just as at the festively decorated table of the world.
A transparent structure is one in which the depths and the surfaces are simultaneously apparent to the eye. It can be studied in a crystal which could be described as an entity able to both generate inner surfaces and turn its depths outward. I now pose the question if the world, large and small, is itself not also constructed on the pattern of the crystal -but in such a manner that our eye only seldom penetrates into this aspect of it? Certain signs suggest this is the case: everyone has at least once felt how people and things have been illuminated in certain significant moments, perhaps to such a degree that dizziness or even a shudder overcame them. This is true in the presence of death, but all significant powers, beauty for instance, elicit this effect – and we can ascribe it to truth in particular. An arbitrary example: the apprehension of the protoplant is nothing other than the perception of its actual crystalline nature in a favorable moment. Our voices become transparent in the same way during discussions on matters that touch us to the core; we understand the other in a different and decisive sense, through and beyond the agreement in the words. In addition, it can be assumed that places exist where this kind of insight is not mediated by a state of exceptional elevation but where it belongs rather to the capital of a marvelous life.
In regard to the use of words in this sense, it is handy that language also possesses depths and surfaces. We have countless expressions at our disposal in which a plain meaning coexists with a deeply concealed one, and what is transparency to the eye is here secret consonance. There is also much in literary figures, particularly in similes, that bridges the deception of the opposites. Yet the process must be flexible – if we use a polished lens to observe the beauty of lower animals, we should not shy from threading a worm onto the hook in order to pursue the wonderful life living in the dark waters. It has always been required of an author that things not appear to him in isolation, not impulsively or randomly – the word is bestowed on him that it may be directed to the one and the all.
Zur Kristallographie
ÜberlingenEs scheint mir, daß ich während der letzten Jahre gerade in bezug auf jenen Kunstgriff der Sprache, der das Wort erhellt und durchsichtig macht, manches gelernt habe. Ihn vor allem halte ich für geeignet, einen Zwiespalt zu lösen, der uns oft” heftig ergreift – den Zwiespalt, der zwischen der Oberflä- che und der Tiefe des Lebens besteht. Oft scheint uns der Sinn der Tiefe darin zu liegen, die Oberfläche zu erzeugen, die regenbogenfarbige Haut der Welt, deren Anblick uns brennend bewegt. Dann wiederum scheint dieses bunte Mu- ster uns nur aus Zeichen und Buchstaben gefügt, durch wel- che die Tiefe zu uns von ihren Geheimnissen spricht. So packt uns, ob wir draußen oder drinnen leben, der Schmerz dessen an, der, wohin er sich wende, sich von herrlichen Gü- tern abwendet. Unruhe befällt uns während der strengen Genüsse der Einsamkeit wie an den festlich gedeckten Ta- feln der Welt.
Die durchsichtige Bildung ist die, an der unserem Blick Tiefe und Oberfläche zugleich einleuchten. Sie ist am Kristall zu studieren, den man als ein Wesen bezeichnen könnte, das sowohl innere Oberfläche zu bilden als seine Tiefe nach au- ßen zu kehren vermag. Ich möchte nun die Frage stellen, ob nicht die Welt im großen und kleinen überhaupt nach dem Muster der Kristalle gebildet sei – doch so, daß unser Auge sie nur selten in dieser Eigenschaft durchdringt? Es gibt Zei- chen, die darauf hinweisen: wohl jeder hat einmal gespürt, wie in bedeutenden Augenblicken Menschen und Dinge sich aufhellten, und das vielleicht in einem Maße, daß ihn ein Ge- fühl des Schwindels, ja des Schauderns ergriff. Das ist in der Gegenwart des Todes der Fall, aber auch jede andere bedeu- tende Macht, wie etwa die Schönheit, bringt solche Wirkung hervor – im besonderen schreibt man sie der Wahrheit zu. So ist, um ein beliebiges Beispiel zu nennen, die Erfassung der Urpflanze nichts anderes als die Wahrnehmung des ei- gentlich kristallischen Charakters im günstigen Augenblick. Ebenso werden in einem Gespräch über Dinge, die uns im Innersten berühren, die Stimmen durchsichtig; wir begreifen unseren Partner durch die Übereinkunft der Worte hindurch in einem anderen, entscheidenden Sinn. Darüber hinaus dür- fen wir Punkte vermuten, an denen diese Art der Einsicht nicht durch Zustände der ungewöhnlichen Erhebung vermit- telt wird, sondern zum Bestand eines herrlichen Lebens ge- hört.
Was nun die Verwendung des Wortes in diesem Sinne be- trifft, so kommt ihr zustatten, daß auch die Sprache Tiefe und Oberfläche besitzt. Wir verfügen über zahllose Wendungen, denen sowohl eine handgreifliche als auch eine sehr verbor- gene Bedeutung innewohnt, und was in der Welt des Auges die Durchsichtigkeit, das ist hier die geheime Konsonanz. Auch in den Figuren, vor allem im Vergleich, liegt viel, was den Trug der Gegensätze überbrückt. Doch muß das Verfah- ren beweglich sein – wenn man hier ein geschliffenes Glas verwendet, um die Schönheit der niederen Tiere zu erspähen, so darf man sich dort nicht scheuen, einen Wurm auf den Ha- ken zu ziehen, wenn man dem wunderbaren Leben nachzu- stellen gedenkt, das die dunkleren Gewässer bewohnt. Aber immer ist vom Autor zu verlangen, daß ihm die Dinge nicht vereinzelt erscheinen, nicht treibend und zufällig – ihm ist das Wort verliehen, damit es an das Ein und Alles gerichtet wird.